Hauterkrankungen im Spitalumfeld : von
der Physiologie bis zur Vorbeugung
Dr Daniel Perrenoud
Service de dermatologie CHUV et Institut universitaire
romand de santé au travail, Lausanne
Entgegen einer verbreiteten Meinung, ist die Haut kein
inertes Organ, sondern ein Gewebe, das sich ständig und
schnell erneuert. Vermittlerin zwischen internem Milieu und
Umwelt, ist sie sowohl Sitz der immunitären Erkennung
als auch Austausch &endash; sowie Schutzmembran. Die
Aufrechterhaltung dieser Hautfunktionen ist streng an ihre
Integrität gebunden. Nun, die Haut ist verletzlich und
dünn : die obere Hornschicht ist ca 0,01 mm dick und
ist ganz allein für 80 % der natürlichen
Barrierefunktion zuständig ! Im Spitalmilieu sind die
Hände wiederholten Angriffen ausgesetzt, die diese
kutane Barriere verletzen, die interzellulären
Lipidlamellen entstrukturieren, die Keratinozyten zur
Produktion von proinflammatorischen Zytokinen anregen und
die immunkompetenten Zellen der Epidermis und der Dermis
aktivieren (Langerhans'sche Zellen). Diese primären
Veränderungen führen zu zwei Haupttypen von
Dermatitiden : 1) die irritative Dermatitis 2) die
allergische Dermatitis. Diese zwei Typen unterscheiden sich
durch die Beteiligung, im Falle der allergischen Dermatitis,
einer immunologischen Spätreaktion, die von den
T-Lymphozyten-Gedächtniszellen ausgeht. Praktisch sind
Hautreizung und Allergie assoziiert, erstere geht
häufig der zweiten voran und fördert deren
Entwicklung. Die kutane Allergie führt zu einer
definitiven Veränderung der Immunsituation der
betroffenen Person. Während die kutane Irritation fast
immer reversibel ist, führt nicht selten die Allergie
zu dauerhaften Teilarbeitsunfähigkeiten. Es ist somit
wesentlich das Auftreten von Kontaktallergien zu
vermeiden.
Die Latexallergie ist ein potentiell schwerwiegendes
Sonderphänomen, dem eine Antikörper vermittelte
immunologische Sofortreaktion zugrunde liegt. Die
Anerkennung dieses Problems durch die Spitalverantwortlichen
und die Qualitätsverbesserung der Handschuhe haben seit
einigen Jahren zu einer klaren Verminderung der Fälle
beim Pflegepersonal geführt.
Die Hauptirritantien im Spitalmilieu sind das Wasser, die
Detergentien und die Antiseptika. Die Hauptallergene sind
die Antiseptika (Flächen- und
Instrumentendesinfektion), die Hautdesinfektionsmitteln und
Gummi (Kautschukadditive und Latexproteine). Die
alkoholischen Desinfektionsmittel, die zu oft in Verruf
stehen, sind für die gesunde Haut unschädlich. Sie
sind aber sehr gute Indikatoren einer beginnenden
Schädigung der Hautbarriere. Der Handschuhpuder ist an
sich harmlos, kann aber zum Vektor einer Latexallergie
werden. Injektabilia und Impfungen sind punktuell Ursache
von Kontaktallergien.
Das nichtpflegende Spitalpersonal, vor allem das
Putzpersonal, ist hauptsächlich der toxischen und
irritativen Wirkung der Antiseptika und der
Reinigungsmitteln, gelegentlich bis zu einer chemischen
Verbrennung, exponiert und weniger dem allergisierenden
Risiko der Handschuhe. Beim Küchenpersonal, zu strikten
hygienischen Massnahmen verpflichtet, kommen vor allem
irritativ-toxische Dermatitiden bei nasser Arbeit und
Gebrauch von starken Detergentien, und viel seltener
Kontaktallergien zu Lebensmitteln, Antiseptika oder zum
Metall der Küchenutensilien vor. Das Laborpersonal ist
zusätzlich zum Infektionsrisiko noch den chemischen
Risiken der manipulierten Substanzen exponiert und selten
auch dem Risiko einer Handschuhallergie. In der Forschung
kommen ausnahmsweise Kontaktdermatitiden von
Labortierproteinen vor. Die Röntgendermatitis beim
Röntgenpersonal ist heute dank gut applizierten
Schutzmassnahmen nur noch virtuell. Die weiteren Dermatosen
im Spitalmilieu betreffen Nebenberufe wie:
Wartungsmechaniker, Gärtner, Schreiner etc.
Im Allgemeinen erhöht eine Anamnese mit Ekzem in der
Kindheit (atopische Dermatitis) die Wahrscheinlichkeit einer
irritativen Dermatitis beim Eintreten in die Berufswelt. Es
ist also wichtig bei den Anstellungsgesprächen und bei
Konsultationen beim werkärztlichen Dienst auf atopische
Zeichen zu achten, um allenfalls die Schutzmassnahmen und
die Hautpflege zu intensivieren. Es ist besser für
bekannte Atopiker sich nicht für stark hautbelastende
Spezialisierungen wie Intensivstation oder Neonatologie zu
entscheiden.
Klimafaktoren wie Kälte und Luft, sowie gewisse
Arbeiten ausserhalb des Berufes, können arbeitsbedingte
Dermatosen verschlimmern. In einem solchen Fall ist es
für die Analyse und die Therapie wichtig, diese
Umweltfaktoren miteinzubeziehen.
Präventiv muss jede Hautirritation als Alarmsignal
betrachtet werden und entsprechend aktiv angegangen werden.
Das Wählen von hautschonenden Detergentien, der
Gebrauch von alkoholischen Hautdesinfektionsmitteln an
Stelle von desinfizierender Seife, die regelmässige
Anwendung von Handcreme und der Gebrauch von Handschuhen arm
an Latexproteinen sind die Pfeiler der Prävention von
Dermatosen beim Pflegepersonal. Das Vermeiden von direkten
oder indirekten (Dampf) Kontakten mit Desinfektionsmitteln
durch technische Massnahmen, und das Tragen von Handschuhen,
ist für das Personal der Hygiene- und
Sterilisationsabteilungen unerlässlich. Das Gleiche
gilt für das Putzpersonal, das mit Detergentien und
Flächendesinfektionsmittel in Kontakt kommt. Das
korrekte Etikettieren der Produkte und die Ausbildung und
Information dieses, häufig wenig geschulten und
fremdsprachigen Personals, sind von grösster Bedeutung.
Für das Küchenpersonal, bei dem Vinyl- oder
Latexhandschuhe zu vermeiden sind, genügt eine gute
Hygiene und das regelmässige Anwenden einer
Handcreme.
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